Wolfsspur - Kit Whitfield

Veröffentlicht auf von Christopher Olbertz

Wir kennen Werwölfe im Allgemeinen als bösartige Kreaturen, welche die Menschen fressen und töten wollen. Doch es geht auch anders. Dass Werwölfe nicht grundsätzlich böse sein müssen, zeigt z.B. Kit Whitfield in ihrem Roman "Wolfsspur".


Lola arbeitet für ASÜLA (Amt für die ständige Überwachung von lykantrophischen Aktivitäten). ASÜLA ist eine Organisation, die die Werwölfe überwachen soll. Wir befinden uns nämlich in einer Welt, in der die für uns "normalen" Menschen in der Minderheit sind. Sie sind Missgeburten, die mit dem Kopf voran geboren wurden. Richtige Menschen werden mit den Füßen nach vorne geboren und haben die Fähigkeit, sich bei Vollmond in einen Wolf zu verwandeln. Doch eine Welt voller Werwölfe ist mit Problemen verbunden.

Damit die "richtigen" Menschen bei Vollmond nicht außer Kontrolle geraten und sich gegenseitig zerfleischen, wurde irgendwann ASÜLA gegründet. Sie besteht ausnahmslos aus Menschen, die sich nicht verwandeln können, und hat unter anderem die Aufgabe, in Vollmondnächten zu wachen. Dabei sollen sogenannte Streuner eingefangen werden, also Werwölfe, die nicht in Schutzräumen eingesperrt sind. Natürlich ist dieser Job äußerst gefährlich und viele Fänger sterben jung oder werden verstümmelt.


Eines Tages wird Johnny, ein Kollege Lolas, bei einem Fang von einem Werwolf schwer verletzt. Lola erhält als Pflichtverteidigerin von ASÜLA den Auftrag, den Täter, einen Herrn Ellaway, zu verteidigen. Doch dieser ist äußerst unkooperativ und einige Zeit später ist Johnny tot, erschossen, und Ellaway ist ausgebrochen. ASÜLA versucht verzweifelt, den vermeintlichen Mörder des Kollegen wieder einzufangen.


Lola hat jedoch noch einen anderen Mandanten, dessen Sozialbetreuer Paul sie kennenlernt. Und sie verlieben sich ineinander. Leider ist Paul ein richtiger Mensch, also ein Werwolf, der Lola dennoch zu schätzen weiß und besser zu ihr ist als jeder Mensch bisher. Er trampelt nicht auf den Unterschieden zwischen ihnen herum, sondern liebt sie so, wie sie ist.


Aber dann wird ein zweiter Kollege Lolas getötet; alles deutet auf denselben Mörder hin, der auch schon Johnny umgebracht hat. Lolas Vorgesetzten vermuten, dass Ellaway alle töten möchte, die gegen ihn ermittelt und ihn verhört haben. Lola versteckt sich bei Paul, aber schon bald keimt der Verdacht auf, dass auch er in der Sache drin steckt.


Meinung:
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Eine Welt voller Werwölfe! Die Minderheit sind Menschen wie wir, aber sie sind in dieser Welt von großer Bedeutung, weil sie darauf achten, dass sich die Werwölfe nicht selbst gegenseitig zerfleischen. Eine interessante Situation, in die die Autorin den Leser da befördert.


Die Werwölfe (die Lykos) betrachten die aus unserer Sicht normalen Menschen (die Nons) als verachtenswerte Missgeburten. Dazu kommt, dass jeder Non bei ASÜLA arbeiten muss. Und obwohl ASÜLA einen gewissen Nutzen hat, wird die Organisation von den Lykantrophen doch eher als eine Unterdrückungsorganisation betrachtet. Immerhin fangen die ASÜLA-Agenten streunende Werwölfe. Dass zwischen den beiden Arten von Mensch keine Freundschaft herrschen kann, ist ein wichtiges Thema des Buches. Nicht einmal mit ihrer Familie, die alle Werwölfe sind, kommt Lola richtig zurecht. Die beiden einzigen Werwölfe, die Lola zu lieben scheinen, sind Paul und ihr neugeborener Neffe Leo.

ASÜLA ist keine sehr ehrenwerte Organisation, obwohl unsere Heldin eine halbwegs motivierte Mitarbeiterin dieser Organisation ist. Werwölfe verschwinden oft in den ASÜLA-Gefängnissen ohne Anklage, ohne Rechtsbeistand. Sie werden viele Tage oder sogar Wochen unter unmenschlichen Bedingungen gefangengehalten und "verhört". Nach einer Verwandlung zum Werwolf, also nach jedem Vollmond, verheilen oberflächliche Verletzungen, die bei den "Verhören" entstehen. Interessanterweise ist ASÜLA aus der Inquisition entstanden und noch immer wenden ihre Agenten verwerfliche Methoden an. Hier steht also ausnahmsweise mal nicht böser Werwolf gegen gute Menschen, sondern das Verhältnis ist gedreht. Die Werwölfe sind sympatischer als ASÜLA als Gesamtorganisation, wobei es natürlich auf beiden Seiten bösartige Subjekte gibt.


Einen großen Teil macht die Liebesgeschichte zwischen Lola und Paul aus. Obwohl ich kein großer Freund von Liebesgeschichten bin, hat mich diese nicht so sehr gelangweilt wie die meisten anderen. Das mag an der interessanten Figur der Lola liegen, die verzweifelt ist, unzufrieden. Sie hat schlimme Erfahrungen hinter sich und fühlt sich als Ausgestoßene, als Missgeburt ohne richtige Familie und ohne viele Freunde. Ihre Familie ist ASÜLA - und die ist nicht unbedingt die beste Familie.

Aber abgesehen von der Liebesgeschichte bietet die Geschichte noch mehr. Sie ist ein Thriller, der in einer leicht ungewöhnlichen Welt spielt. Ein Mord muss aufgeklärt werden, die Heldin gerät auch in Gefahr, wie es sich gehört. Aber insgesamt bietet "Wolfsspur" wenig Actionelemente; es gibt keine großartigen Schießereien oder ähnliche Kampfeinlagen. Dennoch ist für Spannung gesorgt - durch die großartige gezeichnete Hauptfigur und die geheimnisvolle Situation.


Ein wenig gewöhnungsbedürftig ist, dass der gesamte Roman im Präsens geschrieben ist. Aber daran kann man sich gewöhnen. Leider hat das Buch bei über 630 Seiten auch die ein oder andere Länge, aber letztendlich wird es dadurch nicht langweilig. Und leider hat sich auch hier und da mal ein Logikfehler eingeschlichen, aber die kann man getrost ignorieren, da man gut unterhalten wird.


Sehr lobend möchte ich die Abkürzung ASÜLA erwähnen. Normalerweise macht man sich ja gar nicht mehr die Mühe solche Dinge zu übersetzen, aber in diesem Fall hat man mit "Amt für die ständige Überwachung von lykantrophischen Aktivitäten" eine meiner Meinung nach äußerst schöne Übersetzung gefunden.

 



Veröffentlicht in Erweiterungen für Firefox

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